Erlebnisbericht Griechenland – Teil 4 „Hoch über Athen“
Dieser Auszug meines Erlebnisberichts einer Griechenlandreise im Jahr 2006 thematisiert den 4. Reisetag, der die Gruppe unter anderem nach Athen auf die Akropolis führte. Die warme griechische Sonne wusste schon am frühen Morgen wie von Zauberhand unsere Augenlider zu öffnen, der Lärm der – wie mir schien zu jeder Tag- und Nachtzeit extensiv befahrenen – Straße tat aber wohl sein Übriges dazu. Ein gellendes Hupkonzert spielte dabei die Ouvertüre für diesen vielversprechenden Tag. Das war also Athen. Immerhin: gut und gerne 25° um 7.00 Uhr, daran muss man sich als gestandener Mitteleuropäer erst einmal gewöhnen.
Endlich aufgerappelt, wartete bereits das Frühstücksbuffet mit verlockendem Duft und entspannter Wohlfühlatmosphäre auf die Touristengruppe. Allerdings – so mutmaße ich aus der Retrospektive – hätte mir der eine oder andere volle Teller mehr womöglich einige spätere Schwierigkeiten erspart. Doch zum jetzigen Zeitpunkt war man (noch) vom Tatendrang beseelt und begab sich erwartungsfroh in Richtung Akropolis. Aus der Hotelpforte auf die Straße tretend, wurde man jedoch relativ rasant desillusioniert. Akropolis bedeutete in erster Linie: laufen, laufen, laufen.
Allein unserer fachkundigen Reiseleitung war es gedankt, dass wir in diesem Großstadtknäuel aus labyrinthisch anmutenden Straßen, vollkommen identisch aussehenden Häuserfassaden sowie Hundertschaften an Bettlern oder Musikanten vergleichsweise zügig und unbeschadet vorankamen. Ein weiterer, überaus unangenehmer Tatbestand lag in der Athener Kommunalpolitik begründet. So befand sich der Verband der Abfallwirtschaft bereits seit knapp 2 Wochen in einem unbefristeten Streik, so dass sich Berge von Müllsäcken an jeder Straßenecke angesammelt hatten. Was das bei Tagesdurchschnittstemperaturen von 39° bedeutet, mag sich jeder selbst ausmalen.
Fast schon jeglicher Hoffnung beraubt, heute überhaupt noch etwas Sehenswertes geboten zu bekommen, bogen wir um die x- te Hauswand und da waren sie plötzlich! Gewissermaßen superior thronten die antiken Bauten auf dem Athener Burgberg, denn selbst bei Tag repräsentierten sie eine extravagante Mischung aus mediterranem Flair gepaart mit verträumter Altertumsatmosphäre. Regelrecht hypnotisiert von diesem unerwartet faszinierenden Anblick, galt es allerdings in der Folge das persönliche Bewusstsein schlagartig wieder zu schärfen, um sich so an den unzähligen Ständen, Händlern und Souvenirbuden vorbeizuschlängeln. Der ein oder andere von uns konnte dennoch der Versuchung einer Komboloi (griechische Perlenkette in mannigfaltigen Variationsformen) oder etwa einer kleinen Athenastatue auf einem Miniatur- Akropolisberg nicht widerstehen.
So langsam verdichteten sich nun auch die Touristenmassen, die einen mehr oder weniger gut gerüstet, den steilen Anstieg auf den Gipfel zu wagen. Ein, ohne ortskundige Anleitung nahezu unauffindbarer, sich serpentinenartig nach oben schraubender Steinpfad wies schließlich den Weg. Nach gut und gerne halbstündiger Qual in gnadenlos sengender Sonne ermöglichten vereinzelte Bäume am Fuße der gewaltigen marmornen Eingangstreppe wenigstens eine erste Ruhepause. Obgleich auf dem Burgberg selbst versprengt Trinkbecken zur kostenfreien Nutzung angebracht sind, empfiehlt es sich dringend, vor einem solchen Trip ausreichend Flüssigkeitsvorräte mit sich zu führen.
Regelrechte Geschwader an Touristen schoben sich nun also zusammen mit uns über die mittlerweile durch Abnutzungserscheinungen ziemlich glatten Stufen in Richtung des am Eingang zum Burgberg wachenden Athena Nike Tempels sowie den Propyläen. Schließlich war es an der Zeit, den kulturellen Horizont durch die ein oder andere Information zur Örtlichkeit zu erweitern. So hatte sich die Akropolis nach dem Untergang der mykenischen Hochkultur (etwa 1200 v.u.Z.) zum Heiligtum entwickelt, wobei diese kultische Nutzung an Hand von geometrischen Weihegeschenken (meist Tonvasen) verifiziert werden kann. Nach ersten Tempelbauten im 6. Jahrhundert erhielt der Südwesten des Bezirks in spätarchaischer Zeit zudem ein der Artemis geweihtes Heiligtum, welches von dem Tyrannen Peisistratos gestiftet worden war.
Nach diesen zugegeben interessanten, aber dennoch wenig plastischen Fakten sorgte die wohl berühmteste Tempelanlage des Klassischen Altertums für den notwendigen Ausgleich hinsichtlich des materiellen Vorstellungsvermögens: der Parthenon. Als Bauwerk von brillianter Architektur sowie zeitloser Eleganz erlangte er neben dem Verwendungszweck als Schatzhaus den Status, Macht und Überlegenheit der attischen Demokratie zu symbolisieren. So geizt das Meisterwerk nicht mit Superlativen, ist beispielsweise auf einem ausgeklügelten kugelartigen Segment angelegt, komplett aus wertvollem parischen Marmor verfertigt und darüber hinaus derart intelligent konstruiert, dass sich keine einzige rechtwinklige Stelle am ganzen Komplex findet. Trotz seiner wuchtigen Eleganz beherbergt der Tempel zudem ein hochfeines Bildprogramm (92 Metopen sowie ein umlaufender 160 Meter langer Panathenäenfries).
Neben diesem atemberaubenden Bauwerk besticht der Burgberg ferner durch das sogenannte Erechtheion, das ein Konglomat diverser Götterkulte darstellt sowie die unvergleichliche Aussicht über Stadt und Landschaft. Alles in allem offeriert die Akropolis ein wahres Sammelsurium an Sehenswürdigkeiten, sollte allerdings definitiv nur mit ausreichend Marschverpflegung angegangen werden. Ferner empfiehlt sich eingedenk der Unmengen an Besuchern im Tagesverlauf die frühest mögliche Ankunft, um so in halbwegs überschaubarem Rahmen die antiken Glanzleistungen entprechend würdigen zu können.